Von der Ungerechtigkeit und dem heutigen Anti-Kult des Fußballs

 

Nachbetrachtung OFC – Wehen 1:2 (0:1)

Ich nutzte die Fahrt nach Offenbach zu einem veritablen Ausflug mit meiner Tochter und meinem Nachbarn. Beide sympathisieren mit dem OFC, die eine aus Abhängigkeit, der andere aus purem Mitleid.

Für uns Waldmenschen haben solche Fahrten immer den Charakter wie den Besuch einer Ausstellung. Gestern „Körperwelten“, heute „Offenbacher Onliner“. Genau diese Reihenfolge muss es sein, um noch Grusel auslösen zu können.

Das „Große Hessenderby“ haben wir uns dann im dichtgedrängten Block 2 gegeben – zumindest waren alle Wellenbrecher belegt. 3.700 Zuschauer, doch nicht sooo schlecht, wenn man bedenkt, dass sicher Tausende nach einer voreiligen Spielabsage im offiziellen Forum zu Hause geblieben sind. Manager Lamm hat ein Kopfgeld ausgesetzt. Von mir erfährt keiner was! Übrigens kursiert das Gerücht, jemand habe sich seit dem Wochenende den Nick „Der OFC informiert“ gesichert. Das kann ja heiter werden …

Zum Sportlichen: Natürlich ist das reine Ergebnis ernüchternd. 1:2 gegen einen Mitkonkurrenten um den Aufstieg. Ausgerechnet noch gegen dieses in jeder Hinsicht unterprivilegierte Wehen, „Hurra, das ganze Dorf ist da!“ Und plötzlich ist der OFC den Abstiegsrängen wieder näher als den Plätzen 2 oder 3.

Fußball ist ungerecht. Eigentlich hätte dieses Spiel keinen Verlierer verdient gehabt. Mut zum Standpunkt, auch wenn da nicht alle zustimmen werden: Angenommen, die Kickers hätten kurz vor Schluss den Siegtreffer erzielt, wie würden dann die öffentlichen Erklärungen heute aussehen? Glücklich, aber verdient – ordentliche 1. Halbzeit und kämpferisch absolut überzeugende Vorstellung nach dem Rückstand – Siegeswille spürbar - starker Akrapovic mit prima Zweikampfquote, oft anspielbar – Duo Mahr/Müller nach dem Wechsel stark – Dworschak ansprechende Partie– Licht wieder da mit seinem kompromisslosen Einsatz nach schwerer Verletzung– Happe trotz Gegentor grundsätzlich solide – Mannschaft lebt – Trainerdiskussion bis auf weiteres erledigt.

Leider ist es anders gekommen und entsprechend sehen auch die Bewertungen zu Spiel und Mannschaft anders aus. In einem Posting gibt’s z.B. zu lesen: „Wer kann diesem Team Leben einhauchen - es scheint keines da zu sein.“ Also ich hab’ sehr viel Leben in diesem Team gesehen!

Man sollte nicht so einfältig sein, bei einem Sieg alles gut und bei einer Niederlage alles schlecht zu reden. Und ich scheine nicht der einzige zu sein, der so denkt: nach dem 1:2 stimmten einige Herren in den oberen Rängen des Blocks 2 ein Lied an „Wir ham die Schnauze voll“. Das kann ja sein, wird der Leistung der Kickers aber nicht gerecht. „Wenn sie wenigstens gekämpft hätten und gerannt wären, hätten wir ja gar nix gesagt“ – wem ist diese Floskel von seinem Blocknachbarn noch nicht entgegengehalten worden. Ja Mensch, das haben sie doch am Wochenende! Und so haben sich nicht wenige Offenbacher im unteren Teil des Blocks rumgedreht und durch eindeutige Gesten gezeigt, was sie von derlei „Unterstützung“ halten – nämlich gar nix!

Schön, dass man sich daraufhin eines Besseren belehren ließ und die eigene Mannschaft bis zum Schlusspfiff unterstützte – und auch überwiegend noch mit freundlichem Applaus für die kämpferisch einwandfreie Leistung verabschiedete.
So haben wir das in Offenbach immer gehalten: wenn das Bemühen bis auf die Tribüne zu spüren ist, das alles gegeben wurde, dann ist das auch bei Niederlagen von den Zuschauern honoriert worden. Das sollte uns auch weiterhin von den Erfolgs-Modefans anderer Vereine unterscheiden, bei denen nur der Sieg zählt.

Trotzdem hier noch mal die Aufstellung:
Offenbach: Thier – Dworschak, Barletta, Happe, Judt – Akrapovic – Mahr (62. Policella), Müller (90. Dolion), Licht – Budtz (70. Sternkopf), Türker.

Und? Wer war – bis auf Budtz und den schwer zu beurteilenden Sternkopf – schwach oder hat kämpferisch nicht überzeugt? Ich bin auch enttäuscht, aber deshalb nicht ungerecht.

Schließlich konnte sich Sascha Licht sogar an den Zaun trauen und mit unserer Tina ein date für den Abend ausmachen. Danke noch mal an Tina: beinahe hat das gemeinsame weibliche Daumendrücken ja doch noch gefruchtet. Der Nachwuchs fand es auf alle Fälle aufregend in OF und das ist ja schon mal was. Keine plärrende Heimfahrt J

Einen Brüller landete in der Halbzeit auf der hoffnungslos überfüllten Männer-Toi unterm Block 1 ein mir namentlich nicht bekannter Struller. Sein Pissoir-Nachbar mosert lautstark über Ole Budtz, darauf der Struller: „Wusstest Du das nicht, das ist der Knappmann mit ´ner Perücke“. In diesem Moment dürfte so mancher Strahl daneben gegangen sein. Lachen und Wasser abschlagen befreit.

Mein persönliches Fazit: Präsentiert sich die Mannschaft weiterhin so wie am Samstag, wird es zwangsläufig auch wieder Siege und Erfolge geben. Auch der Fußballgott kann nicht auf Dauer ungerecht sein.

Fidel C. hat mich übrigens vorab per SMS gebeten, auf körperliche Gewalt gegen ihn vor den Onlinern zu verzichten, weil sein eh schon ramponierter Ruf dann völlig im Arsch sei. Ich hab’ der kleinen Ossi-Nutte ein sauberes 1:1 im Frankfurter Osthafen unter Ausschluss der Öffentlichkeit angeboten … mal sehen, ob er wieder kneift.

Zum Abschluss noch ein paar Gedanken zum Wesen des heutigen Fußballs. Alte OFC-Internet-Nutzer werden mit dem Nick THE FOX noch was anfangen können. Anhänger des aktuellen Tabellenführers der FFH-Oberliga-Hessen und – trotz aller Rivalität – in der Vergangenheit gerngesehener Gast in unseren Foren und auch bei einigen Spielen des OFC. Kürzlich habe ich von ihm unter einem anderen Nick dieses Posting gelesen: „ ... wirklichen Kult gibt es im Fußball nicht mehr. Woran liegt das? Es liegt m.E. daran, daß Fußball sich zu einem schlipsbewehrten haute volée spektakel gewandelt hat. Der Fußballplatz gehört nicht mehr den Zuschauern, Fans, Anhängern sondern den VIP-Zelten, Business Seats und gecaterten Logen. Man wird das bei der WM 2006 noch deutlich zu sehen bekommen. Als Fußball noch Kult war, waren Familien zerstritten, weil der Vatter auf Schalke, der Onkel zur Borussia und der Bruder zu RWE gegangen ist. Kult war Fußball auch, als man den Kult noch am eigenen Leib zu spüren bekam. Kult war Fußball aber auch, als Kicker noch einigermaßen Kerle waren und keine hemdsärmeligen Pisser, die dem psychischen Druck, ihr millionenschweres Handgeld verdienen zu müssen, noch standgehalten haben - ganz ohne ambulante psychotherapeutische Behandlung!“

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