Wir haben keine Wehen, wir haben keine Frauen,
wir sind auf dieser Welt, um die Kickers anzuschauen!

Was in diesen Wochen und Monaten ja schon schmerzhaft genug ist. Die Textzeile stammt übrigens von den Amateur-Supps des „Wir-kicken-im-nächsten-Jahr-in-der-Seria-A“-Vereins aus der selbsternannten heimlichen Hauptstadt der Republik. So ähnlich gehört beim letzten Heimspiel auf dem Halberg. Ramon Berndroth war am vorösterlichen Mittwoch auch da und hat damit, wie praktisch, die nächsten beiden Gegner des OFC im Paket abgefrühstückt. Er hat sicher wieder „einen sehr, sehr starken, ja fast übermächtigen“ SV Wehen gesehen und sich wie immer eine Portion „ANGST“ von diesen Beobachtungen mitgenommen.

Für einen richtigen Offenbacher gehören die traditionsreichen, emotionsgeladenen Derbies gegen Wehen in eine Reihe mit Bernbach und Mörlenbach. Also eher Placebo-Derbies, ungeliebt wie Zahnweh und mit bitteren Erinnerungen verbunden. Tatsächlich bin ich nun zu faul, hier eine lückenlose Statistik zu präsentieren, aber die Bilanz sieht für den OFC nicht wirklich berauschend aus. In den letzten Jahren überwiegend unentschieden.

Wehen hat in diesem Jahr eine beeindruckende Heimbilanz (u.a. Siege gegen Haching, Rainsborough, Augsburg und Französisch-Kongo). Die frenetischen Zuschauermassen im Rücken und die Wälder vor Augen beflügeln die Spieler offensichtlich. Den Titel des hessischen „Theatre of Dreams“ hat sich das „Halberg-Stadion“ völlig zurecht erworben *hüstel*

Auswärts allerdings ist die Mannschaft noch sieglos.

Dschuradsch Vasic löste in der laufenden Runde Gerd Schwickert ab und fällt vor allem durch Ruhe und seine natürliche Autorität auf. So Leute gibt’s mit so einer Ausstrahlung und Vasic gehört dazu. Wehen hat in dieser Woche mit dem noch in Schweinfurt Residierenden um 3 Jahre verlängert. Als widerlicher Klugscheißer darf man mal die Frage ohne Antwort einwerfen, wo der OFC heute stünde, wenn sich Gersters Personalwunsch mit Vasic damals erfüllt hätte. Logo, alles hypothetisch und politisch nicht korrekt.

Ähnliche Konzepte verfolgen Vasic und Berndroth hinsichtlich Libero. Hier wie dort werden auf dieser Position die technisch versiertesten, mit einem begnadeten Auge ausgestatteten Spieler, die Könige des langen Balles aufgeboten. Hier ist es Dario Fossi, dort Antonio da Silva (Nr. 10). Hier der ballgewandte, hochgeschossene, mehrsprachig erzogene Beau mit seinen Wurzeln im Mezzogiorno, dort der Zauberkünstler vom Zuckerhut mit Zuckerpassgarantie. Bei beiden ist es die wahre Lust, ihnen beim Kicken zuschauen zu dürfen. Jetzt bietet sich die Gelegenheit, mal die Kollegen von www.kickerswelt.de abzuwatschen: hört endlich auf Dario permanent schlecht zu reden. Unser Eigengewächs ist tausendmal besser als bei Euch immer beschrieben! Nestbeschmutzer! Schmierfinken!

Drei Wehener Spieler will ich noch rausgreifen. Zum einen die hessische Fußballhure Sascha Amstätter, die ab der Bezirks-Oberliga fast keinen südhessischen Verein ausgelassen hat. Bei ihm geht’s um einen neuen Vertrag und Vasic hat durch eine kunstvolle öffentliche Arie aus Kritik und Lob den ehemals übergewichtigen Amme in Wallung gebracht. Er gehört derzeit zu den Aktivposten im Spiel der Retortensportler.

Was macht unser Aufstiegsheld Stefan Simon? Für die Demenzkranken unter uns: Doppeltorschütze bei der Aufstiegsrunde gegen Trier. Nun, er feilt an einem Eigenheim in seinem Heimatort Limburg-Offheim und ist meines Erachtens der beste Neueinkauf gewesen. Profi durch und durch, immer mit 100% Einsatz. Erstaunlich, wenn man mal in DA, Offenbach und auch in Ahlen 2. Liga gekickt hat, aber so ist er halt, unser Stefan. Lohn der Mühen: Wehen wird wohl von seinem Optionsrecht Gebrauch machen und Simon auch für die nächste Saison verpflichten. Das riecht doch nach genug Kohle für einen schicken Wintergarten. Stefan, Du kannst schon mal Angebote einholen!

War da nicht noch einer? Genau, Bungee-Dolzer. Eine Verbindung mit Wehen, die nie funktioniert hat. Als spielender Libero verpflichtet – jeder Offenbacher weiß, dass Dolzer das nie war – hagelte es zu Beginn der Runde harte Kritik. Dolzer konnte die völlig übertriebenen Erwartungen nicht erfüllen. Er nimmt seit einigen Monaten eine Auszeit wegen einer Viruserkrankung. Wirklich schade für den netten Stefan, der nun wirklich völlig falsch beraten wurde, als er nach Wehen ging. In seinem Alter mit Ambitionen sollte man sich das nicht antun. Vielleicht hat Dolzer aber auch einfach falsche Erwartungen an den Halberg gehabt und eine senkrecht abfallende Bergwand für sein Hobby erwartet. Leider läuft der Halberg sanft ins Tal und es ist nix mit Bungee-Jumping. Also alles nur ein Missverständnis. Prognose: die Wege von Wehen und Dolzer werden sich im Sommer trennen und in zwei Jahren kann und will sich keiner mehr an diese unsägliche Episode erinnern.

Überhaupt setzt die halbe Wehener Mannschaft ihren Lebensmittelpunkt im Großraum Hanau, um den Namen der verbotenen Stadt hier nicht in den Mund nehmen zu müssen. Ben Neticha, Mehic, Kaymak, Uster (der sich kurzzeitig auch mal beim OFC fit gehalten hat) und besagter da Silva sogar mit OF-Kennzeichen wären doch ein schöner Pool, um mal für den OFC zu wildern. Vielleicht kann Stadionsprecher Mörschel nach dem Spiel die Nummern über Lautsprecher durchgeben und das Offenbacher Fußballvolk entscheidet wie im alten Rom mit Daumen hoch und runter, um wen man sich bemühen soll. Fußballdemokratie jetzt!

Zur Taktik der Kickers: wie es seit 100 Jahren in Offenbach Usus und nicht anders vorstellbar ist, wird der OFC mit drei echten Stürmern und einem offensiv ausgerichteten Mittelfeld agieren, die Außenverteidiger sind mehr Halbläufer und der Libero wird sich ständig variabel in die Offensive einschalten und Überzahlsituationen erzeugen.

Berndroth wird in der Vorspiel-PK erklären: “Die Rollenverteilung ist klar. Ich erwarte einen Sieg mit mindestens drei Toren Differenz, andernfalls wird es eine hässliche Woche für mein Damenteam geben.“ Auf die Nachfrage eines Journalisten, ob es für Ben Neticha und Mehic Sonderbewachung gebe, antwortet Berndroth gewohnt knochig: „Wie heißen die? Seit wann richten wir uns nach dem Gegner? Wir sind Kickers Offenbach und bei uns wird noch direkt und ungefiltert aus der Wasserleitung gesoffen!“

Den letzten Absatz hab’ ich vor 8 Stunden geschrieben und die bunten Farben und süßen Träume weichen langsam aus meinem Gehirn. Schade eigentlich, es könnte so schön sein. Ehrlich gesagt erwarte ich wieder einen Minimalisten-Kick gegen ein technisch stärkeres Team und nach dem glücklichen Ausgleich in der 70.Minute geben sich beide Mannschaften mit einem 1:1 zufrieden, die erstaunt sind über knapp 3.000 unzufriedene Motzkies auf den Rängen.

Diesen Vorbericht widme ich im Übrigen dem kubanischen Auslaufmodell mit Internetanschluss, der immer noch hofft, mit seiner Klamottenwahl in die 70er-Show von Hape Kerkeling zu kommen.

Cyber Picco