Augsburger Puppenkiste oder so wie früher...
Kickers Offenbach - FC Augsburg 2:0
Nein,
der Don hat mich nicht angerufen und ich habe auch keine Wette verloren. Aber
heute hatte ich einfach Lust, einen Spielbericht zu schreiben, und warum sollen
immer dieselben Leute sich die Arbeit machen oder allein Spaß haben. Vorab:
Einen detaillierten Bericht und/oder Statistiken schenke ich mir, da Ihr das
alles viel besser in der Offenbach Post, im Kicker oder bei Preusel (www.ofckickers.de)
nachlesen könnt.
Im Vorfeld (also alles nach dem Pfullendorf Spiel bis zum Anpfiff) gab es in den
Kneipen und diversen Foren einiges an Zündstoff:
Die finanzielle Situation war mal wieder deprimierend, so deprimierend, dass man
nicht einmal mehr den Trainer entlassen konnte. Klaus Gerster, Horst Jung, Lars
Schmidt, das Präsidium, der Verwaltungsrat, ja selbst der gemeine Kickers Fan,
der auf der JHV nichts gegen die drohende Pleite unternahm, bekam sein Fett ab
mit dem Ergebnis, dass irgendwie alle schuldig waren oder sind und man deshalb
auch niemanden haftbar machen könnte (oder so). Einige suchten deshalb ihr Heil
in Horoskopen oder brachten die Kassel - Zwangsentschuldung - durch - Konkurs -
Variante
ins Spiel, die aber schnell wieder verworfen wurde, weil man den Adlerträgern
auf der anderen Mainseite nicht kampflos das Feld überlassen wollte.
Einfacher war es da doch, nach langer Zeit mal wieder den Kopf des Trainers zu
fordern (Begründung „Stillstand ist tödlich“) und einzelne Spieler wie
Naciri (im Volksmund teils liebevoll teils diffamierend auch „Entenarsch“
genannt) zu beleidigen.
Doch Berndroth wäre nicht Berndroth und seit fast 2,5 Jahren Cheftrainer, wenn
er nicht auch darauf eine Lösung gewusst hätte:
„Nicht mehr schön, sondern effektiv spielen“ war die Parole für das
Augsburgspiel. Böse Zungen reagierten mit der Frage, welches „schön
spielen“ denn gemeint sein, man könne schließlich nicht abstellen, was noch
gar nicht angestellt worden ist. Und Naciri – das Thema wurde sogar auf einer
Sonderhalbseite in der OP angesprochen – wurde auf die Bank gesetzt, um ihn
(und das Publikum ?) zu schützen.
Meine Stimmung war vollends am Tiefpunkt angelangt, als im Äppler (Blitz Tipp für
Arme) „unser neuer Flughafen“ vorgestellt wurde und die Eintracht sich auf
den Aufstiegsplätzen festsetzte. Im Zeitalter der Depression also ideale
Voraussetzungen für ein ekeliges Kickersspiel mit Endzeitstimmung.
So machte ich mich denn auf den Weg und schon auf dem Parkplatz stellte ich
fest, dass es mehr Platz als früher gab und das obwohl es weniger als eine
halbe Stunde bis zum Anpfiff war. Auch an den Kassenhäuschen (für
Dauerkartenbesitzer belanglos) oder bei der Kontrolle ging es sehr zügig voran,
so dass man wieder mehr Zeit für kleine Schwätzchen am Rande hatte und ich
mich an die gute alte Oberliga Zeit erinnert fühlte, als Kickers Spiele auch
eine Art Familientreffen darstellten und sich meine Laune dadurch wenigstens
besserte. Man darf eben seinen Humor nicht verlieren und muss immer etwas in der
Hinterhand haben, was nichts mit Fußball zu tun hat (der sogenannte Verdrängungseffekt).
Im Block II war die Stimmung nicht schlecht, wenn auch verhaltend. Und so
spielten auch die Kickers in der ersten Halbzeit. Fast schon provokativ wurden
lange Bälle – wenn es mal wieder nicht lief – nach vorne geblasen und Petry
durfte als Alleinunterhalter verlängern, ja zu wem eigentlich ? Zum Glück
wurde er im Bodenkampf unterstützt von Christian Müller, der wie gewohnt
rannte und rackerte und einige Male für Gefahr sorgte. Das Mittelfeld agierte
unauffällig im wahrsten Sinne des Wortes, Barletta und Dworschak beschränkten
sich auf die Defensive und Falk kam sich (oder zumindest mir) sehr verloren vor.
Das Flügelspiel war nicht vorhanden, aber Corrochano und Lorenz hielten nach
hinten dicht und wenigstens das war gut so. Berndroth hatte auch die
Innenverteidigung umgestellt, und Brighache hatte die Aufgabe, Coulibaly
auszuschalten, was ihm zunehmends immer besser gelang. Zweiter Manndecker war
Fossi, wohl für Standards und Kopfbälle eingesetzt, dem anfangs haarsträubende
Zweikampffehler unterliefen, die aber zum Glück wirkungslos blieben, da man mit
Zitouni einen Libero hatte, der hinten aufpasste und ab und an sich auch nach
vorne einschaltete.
Randbemerkung: Es ist mir unverständlich, wie man Alterspatienten wie Binz
wieder ins Gespräch bringen kann, von denen würde ich Geld verlangen, dass sie
überhaupt am Kickers Training teilnehmen dürfen !
So oder so: Vorne lief wenig und hinten stand man dicht. Dementsprechend
gelangweilt reagierte das Publikum („Wir wollen Euch kämpfen sehen“), wobei
sich der eine oder andere Protest („Das hat mit Fußball nichts zu tun“) im
Stillen regte. Augsburg brachte zwar mehr Fans als Pfullendorf mit, aber immer
noch zuwenig, um die eigenen Fans zu provozieren oder mit Eintrittsgeldern die
Kickers zu entschulden. Vielleicht sollte man mal Auswärtsfahrten boykottieren
(so wie ich) und ein Viertel der Eintrittsgelder verlangen, da käme bestimmt
einiges zusammen. Solche Gedanken kamen einem während des Spiels, da die fußballerischen
Darbietungen wenig zur Fantasie anregten, und so ähnlich muss es wohl auch den
Augsburgern ergangen sein. Vom Spiel der Kickers eingelullt und wahrscheinlich
auch im arroganten Bewusstsein der Überlegenheit spielte man sich gefällig den
Ball zu, ohne den Abschluss oder etwas ähnliches zu suchen. Wie aus heiterem
Himmel fiel auf einmal das 1:0 für die Kickers: Freistoß (warum habe ich Passenderweise
vergessen) für die Kickers, jeder rechnet mit einem halbhohen Lupfer in die
Mauer, doch Falk schnippelt das Ei genau auf den Kopf von dem sich aus der Mauer
lösenden Dworschak und der über den Torwart – Große Freude auf den Rängen,
Führung durch eine neuartige Standardsituation, die Freund wie Feind überraschte
! Auf einmal war Halbzeit und die Kickers lagen vorne gegen die favorisierten
Augsburger. War das die vielkritisierte Berndroth Taktik „nicht schön sondern
effektiv zu spielen“ ? Wenn ja, dann wurde sie 100% und erfolgreich umgesetzt.
In der Zweiten Halbzeit ein verändertes Bild. Jetzt spielten die Kickers gefällig,
das Publikum wurde langsam warm und die Augsburger spielten immer noch so vor
sich hin. Richtig gefährlich wurde es eigentlich nie, da auch Thier wieder
souverän wie in besten Zeiten agierte und die Abwehr unter Einsatz aller Körperteile
kaum Freiraum für den Gegner ließ. Es folgte ein Konter für die Kickers,
Christian Müller legt sich den Ball zu weit vor, doch der FCA Keeper geht kein
Risiko ein und holt Müller von den Beinen. Elfmeter, (nur) Gelb für den
Torwart (wahrscheinlich wegen Blödheit) und das Publikum hellwach und
begeistert. Zumal die Nerven wieder angespannt wurden. Wer schießt ? Barletta ?
Petry ? Der in den letzten Spielen wenig überzeugende Falk schnappt sich den
Ball und ohne Probleme steht es auf einmal 2:0 für die Kickers. Jubel auf den Rängen,
pessimistische Gedanken wie „Hoffentlich verlieren wir nicht wieder 2:3 oder
2:4“ kamen erst gar nicht auf, weil die Augsburger Söldnertruppe auch
weiterhin keine Anstalten machte, das Spiel rumzureißen, und die Kickers sehr
konzentriert zu Werke gingen.
Richtig Pfeffer ins Spiel brachte einmal mehr der Schiedsrichter, diesmal
allerdings zu Gunsten der Kickers und das völlig zu Recht: Coulibaly, der sonst
immer gut war für ein Tor gegen die Kickers, gingen die Nerven durch und nach
Gelb folgert bekanntlich Gelb-Rot. Das anschließende Gerangel im Mittelkreis
zwischen FCA Spielern und den Unseren brachte das Publikum zusätzlich in
Wallung („Jeder zweite Bayer ist ein Sedlmayer“,“Augsburger
Schwuchtelkiste“) und auf einmal war alles wieder so wie früher: Mittelmäßig
spielende Kickers, ein dennoch fröhliches und abgeklärtes Publikum, sowie
Unruhe und Hektik auf dem Rasen. Vergessen die finanzielle Not (als ob es schon
einmal anders gewesen wäre) und die Trainerdiskussion der letzen Woche,
vergessen Pfullendorf.
Aber die Kickers steckten einen Gang zurück oder die Augsburger wollten es
jetzt doch noch einmal wissen. Sturmlauf in den Strafraum, Thier schon
geschlagen, doch der Augsburger schießt die Latte an. Das war ein Zeichen: Der
Fußballgott ist diesmal mit uns und nicht für die anderen. Nicht auszudenken,
wenn das das 2:1 gewesen wäre, meinen Nerven tat es jedenfalls gut. Zu guter
Letzt wurde auch noch einmal Naciri eingewechselt, einige pfeiften, doch der
freundschaftliche Applaus behielt die Überhand.
Zum Schluss Abpfiff, La Ola, Berndroth Rufe und die Erkenntnis, dass die
Drei-Punkte-Regel sich diesmal positiv für uns auswirken wird, was auch das
Pfullendorf Ergebnis relativiert, und so gingen alle glücklich und zufrieden
nach Hause, da auch das B-Team gewonnen hatte und die Konkurrenten im
Abstiegskampf teilweise Federn ließen. Wann hatte es das zum letzten Mal
gegeben ?
Jiankuan
Bericht:
Jiankuan
Fotos: Ozzy